Etappen auf dem Weg zum Bild

GEDANKEN ZU
KUNST UND DESIGN
Ballast abwerfen, hinausängstigen. Auf Überflüssiges, Unwahres verzichten. Mut nach der Dunkelheit. Etappen auf dem Weg zum Bild.

Das Auftragswerk

Das Auftragswerk: ein Hochzeitspaar, das Hand in Hand in einen von großen alten Obstbäumen umstandenen Weg einbiegt. Darüber ein bewegter Himmel noch einigermaßen blau aber doch schon von windigen Wolken durchzogen, dramatisch angekratzt.

Die gewünschte Atmosphäre

Der Auftraggeber hatte vor Jahren ein Aquarell erworben, das ich in Griechenland, auf Paros gemalt hatte. Lichtdurchflutet, leicht, voller blühender Beweglichkeit, das herrliche Wasser-Himmel-Atmen versuchend, das es dort gibt. In dieser Atmosphäre hätte er das Bild gerne gesehen.

Die Zusage

Ja, ja – habe ich gesagt, das wird sich schon machen lassen.

Der Malbeginn

Ich beginne. Male den konisch sich wölbenden, regenbogenartigen Himmel. Türkis, Kobaltblau, wenig Cadmiumorange, sehr wenig Karminrot, etwas Sonnengelb. Mischungen davon ergeben sich aus den sich überlappenden Begegnungsräumen, unterschiedlichste Intensitäten durch das mehr oder weniger durchscheinende Hintergrundweiß. Die Bodenlandschaft male ich gleich mit, lasse aber das Blau weg.

Die Bäume

Jetzt stelle ich die Bäume ein. Vom Boden kommend, sich mehr und mehr im Blattwerk verlierend versuche ich ihnen die Lebendigkeit und Pracht zu geben. Noch mehr und stärkere Farbtöne. Versuche dem Wilden und faszinierend Wuchernden in ihnen und ihrem gleichzeitig vom Boden aus startenden so durchdachten Bauplan, ihrer „unbegreifliche Schönheit“ gerecht zu werden. Zusammen mit dem Himmel hat das schon irgendwie was.

Nun das Brautpaar

Nun das Brautpaar. Nicht zu groß aber auch nicht zu klein. Etwas außerhalb der Bildmitte. Ich entscheide mich für  eine relativ genaue Zeichnung und der Gesamtstimmung angepasste Farbtöne. Nehme mir Zeit, um den Figuren annähernd realistische Züge zu geben.

Endlich in Ruhe betrachten

So, nun endlich kann ich das Bild als Ganzes in Ruhe betrachten. Ja – scheint schon irgendwie ok, gar nicht schlecht. Gefällt mir eigentlich – aber eigentlich nur in Teilen. Irgendwie etwas zusammengestohlen, wenn auch von mir selbst, sage ich mir. Alles nicht ganz echt, selbst – verlogen beinahe. In Wahrheit nicht auszuhalten, denke ich schließlich.

Änderungen

Ehrlichkeit, radikaler Mut ist angesagt. Zerstörungsrisiko inbegriffen. Verdunkle fast alles. Himmel und Landschaft werden zu einem nächtlichen Brei, aus dem ich später Einzelheiten wieder ins Licht verhelfe. Die Figuren bleiben lange gleich. Später wird mir das Dunkel unerträglich und ich übermale ein Drittel des Bildes mit einem leuchtenden Gelb.

Kurzes Aufatmen

Kurz atme ich auf, um sodann zu erkennen: sieht aus wie ein gelbes Papier mit „Fleißbildchen“ beklebt. Zum Wegschauen. Usw. usw..

Neuanfang

Es endet damit, dass ich eine neue Leinwand nehme und in einem Zug ein leichtes Aquarell in Großformat male.

Das Bild gefällt mir

Jetzt gefällt mir das Bild. Rhythmus und Melodie greifen ineinander. Die Atmosphäre überzeugt mich. Dieses Bild kann ich spüren und auch vertreten.

Etappen auf einem Weg zum Bild

Irrwege erkennen. Umkehren. Ballast abwerfen, hinausängstigen.  Auf Überflüssiges, Unwahres verzichten. Neuer Mut nach der Dunkelheit. Wie eine ganze Lebensgeschichte - nur im Schnelldurchlauf. Etappen auf dem Weg zum Bild wie ich sie immer wieder erlebe.